"Mann sieht sich" 

 

Baiers Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei und Zeichnung, er zeichnet mit allem, womit man Zeichen setzen kann: Mit dem Zeichenstift, mit Farbe, und mit Elementen der collage. Baiers Markenzeichen sind hintersinnige und skurrile Beobachtungen aus dem Alltag und boshafte Momentaufnahmen. „Mir haltn zam“ - das ist der Titel einer Serie , von der er hier in der Galerie einige Arbeiten zeigt. Diese vermitteln genau das, was Männerbünde und Seilschaften ausmacht. Der Betrachter bzw. die Betrachterin fühlt sich wie jemand, der im Bierzelt lauscht, oder an einen anderen Ort geraten ist, wo weder Fremde noch Frauen so richtig willkommen sind.

 

Bettina Jaenicke

 

 

 

 

Die "Wechselwirkungen" von Georg Baier sind mit Vorsicht zu genießen

 

Arbeiten

Sein Sie froh, dass diese Ausstellung in den Räumen des KVE gezeigt wird und nicht im Bahnhofstunnel. Die Figuren dieses Zeichners sind genau solche, denen man nachts in einem dunklen Tunnel eben nicht begegnen möchte. Auch wenn die darge­stellten Personen frei erfunden sind und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen rein zufällig ist, konfrontieren sie uns mit der eher dunklen Seite des Lebens. Es sind Verlierer, Menschen vor dem Absturz, Leute, die nichts Gutes im Schilde führen oder doch zumindest mit Vorsicht zu genießen sind – wie die beiden Herren auf der Einladungskarte.

Die Arbeiten Georg Baiers sind Spiegel menschlichen, allzu menschlichen und nicht zuletzt unmenschlichen Verhaltens. Diese Fratzen, Grotesken und Strichmännchen mit ihrem diabolischen Grinsen sind kritische, ironische und freche Notate zum Alltag. Sie wirken durch die gekonnte Darbietung oft recht komisch. Hinter den humorvollen Zeichnungen verbirgt sich zwischen lässiger Ironie und schwarzem Sarkasmus aber ein kritischer Geist, der den Betrachter auf die Unzulänglichkeiten des menschlichen Alltags aufmerksam machen will.

Der Titel dieser Ausstellung „Wechselwirkungen“ zielt auf ein Netzwerk von Ver­strickungen, in dem sich Dummheit, Gier, Ignoranz und Boshaftigkeit verwickelt haben. Es geht um Wechselwirkungen innerhalb der gesellschaftlichen Umwelt wie auch im Psychischen. Indem er Facetten des Alltags aufs Korn nimmt, handeln die Arbeiten von Georg Baier von Entfremdung zwischen den Menschen, von Abhängigkeit, Einsamkeit und Menschenverachtung.

Der Spiegel, den der Künstler sich und uns vorhält, ist ein Zerrspiegel - einer, der Verstümmelungen, Verletzungen, Absonder- und Scheußlichkeiten potenziert. Erst in dieser verzerrten Optik lässt sich die Wahrheit der Dinge erkennen. Dabei steckt hinter den poetischen Bildern ein gehöriges Stück sensiblen Umgangs mit den Lebensbedingungen. Hinter die blendenden Fassaden bürgerlicher Wohlanständig­keit schauen zu wollen, macht im Allgemeinen nicht besonders beliebt. Als mildernde Umstände macht die sezierte Gesellschaft allenfalls „kindliche“ Naivität des Nachfra­gen­den geltend und Georg Baier kann sich auf eine gewisse – vorgetäuschte – Unschuld berufen.

Person

Sie sehen also: Die Figuren des Georg Baier haben alle irgendwie einen Hau. Ob einen solchen der Künstler ebenfalls hat, mögen Sie selbst entscheiden. Ich kann Ihnen zumindest versichern, dass wir es hier mit einem manischen Zeichner zu tun haben.

1953 in Aurachtal geboren absolvierte Georg Baier zunächst eine Ausbildung zum Grafiker. Seit 1986 kann er von seiner künstlerischen Arbeit leben und ist freischaf­fend tätig. Seine frühere Tätigkeit als Werbegrafiker sieht er aus vorsichtiger Distanz: Diese Arbeit enge ihn ein, sie sei nicht kreativ, sondern „geplant“.

Die Ergebnisse seines Experimentierens waren bereits in einer Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. Mehrere Galerien im bayerischen Raum haben seine Werke präsentiert, schon auf den ART Nürnberg-Kunstmessen war er regel­mäßig mit einem Stand vertreten und Kunstvereine aus dem süddeutschen Raum laden ihn regelmäßig ein.

Er ist Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler, im Kunstverein Erlangen und bei der Albrecht Dürer Gesellschaft Nürnberg. 1997 erhielt er den Kunstpreis des Kunst­vereins Höchstadt. Öffentliche Ankäufe tätigte u.a. das Finanzbauamt Ansbach.

Die Profile dieser Ausstellung grinsen uns nicht nur teuflisch an. Georg Baier zeich­net wie der Teufel. In seinem Atelier in Falkendorf entstehen täglich Zeichnungen. Inzwischen dürften es 8-10 Tsd. an der Zahl sein. So entsteht seit Jahren ein Tage­buch und jede Arbeit drückt eine Seite seines Lebens aus.

Sie alle entspringen einer spontanen Idee, entstehen aus der persönlichen Situation und die Gemütslage, in der er sich gerade befindet, spielt eine große Rolle. Der Künstler weiß am Anfang nicht, was am Ende dabei herauskommt. Es sind meist flüchtige Gedanken, die er manchmal in 30 Sekunden, manchmal in einer Stunde aufs Blatt überträgt. Es sind einmalige Vorgänge, nichts wird korrigiert und jede Zeichnung wird am gleichen Tag abgeschlossen.

Die Inspirationen stammen aus der Umgebung, seien es gesellschaftliche Einflüsse oder die Beobachtung von Menschen. Dennoch arbeitet Kunst-Workaholic Baier spontan und spielerisch. Seine figurativen Collagen sind menschlich-gesellschaft­liche, keine politischen Stellungnahmen. Er hält ohnehin nichts von der „läuternden Wirkung“ der Kunst, will nichts wissen von dem Zwang, stets „etwas ausdrücken“ zu müssen. Seine Bilder verdanken dem ihre erstaunliche Leichtigkeit, sind geradezu heiter.

Der Künstler selbst hält seine Werke für „realistische“ und wirklichkeitsnäher als viele realistische Landschaften, die in Wirklichkeit geschönte Idyllen zeigen, ohne Fern­seh­antennen, Stromleitungen und Autos.

Technik

Georg Baier liebt es, mit den Möglichkeiten malerischer und zeichnerischer Techni­ken zu spielen und verwendet oft verschiedene Materialien gleichzeitig. Neben Acrylfarben arbeitet er mit Gold und Silber ebenso wie mit Aquarell-, Pastell- und Pigmentfarben. Oft sind sechs oder sieben Schichten bereits übermalt, bevor der Künstler die einzelnen Bildelemente zu einer Komposition zusammenfügt. Diese spontane gestische Arbeitsweise, dieses Verbinden von malerischem und zeichneri­schem Duktus findet man auch in seinen Arbeiten auf Papier. „Mischtechnik auf Papier“ steht für Bleistift, Lacke und Kugelschreiber, denn der trägt dicker auf.

Rezeption

Um den Betrachter frei von Vorgaben zu halten, verzichtet Georg Baier in der Regel auf Titel. Er will Spielraum für Interpretation geben, weil jeder Betrachter einen anderen Hintergrund hat. Natürlich provoziert er, aber er will aufrütteln, aufmerksam machen und erwartet, dass sich die Menschen selbst Gedanken machen.

Die Figuren, die uns auf weiße Blätter gezeichnet angrinsen, Grimassen schneiden, höhnen, tänzeln oder sich amüsieren schauen uns an und versuchen uns zu beein­flussen, sich untereinander und vielleicht auch mit uns auszutauschen. Der Künstler Georg Baier tritt über seine „Gestalten“ in Kontakt zu seiner Umwelt, den Betrachtern und auch der Gesellschaft an sich, er versucht, eine „Wechselwirkung“ einzugehen.

 

Pierre Leich, ART Gruppe